Eva Völler: Ein Gefühl von Hoffnung
Paperback: 14,90 €
ebook: 9,99 €
Wirtschaftswunder, Frauen, die sich trauen ihren eigenen Träumen zu folgen und herrlich authentische Figuren, denen man gerne folgt!
Wer schreibt?
Geboren und aufgewachsen ist Eva Völler im Bergischen Land nahe Wuppertal, nach dem Abitur 1975, folgte ein Studium der Philosophie und Rechtswissenschaften und bis 2005 blieb sie der Jurisprudenz treu, sie hat sich jedoch schon als Kind gerne Geschichten ausgedacht. Seither ist diese freiberufliche Schriftstellerin und hat erfolgreich viele historische Romane veröffentlicht: „Vom Bücherschreiben kriegt man einfach bessere Laune als von Rechtsstreitigkeiten“, meint Frau Völler. Und das Beste ist, sie kann jedes Mal selbst bestimmen, wie es am Ende ausgeht! Eva Völler lebt mit ihren Kindern am Rande der Rhön in Hessen.
Rückblick auf den ersten Teil
Erzählt wird die Geschichte von Katharina, deren Mann Karl als Soldat im zweiten Weltkrieg verschollen ist. In den letzten Kriegstagen ist ihr nach einem schrecklichen Erlebnis zusammen mit ihren beiden Töchtern Inge und Bärbel die Flucht aus Berlin in den Westen gelungen und nun lebt sie seit einigen Jahren bei ihrer Schwiegermutter Mine im Herzen des Ruhrgebiets in Essen. Gegen alle Schwierigkeiten versucht sich die attraktive und sehr talentierte Schneiderin dort mit ihren beiden Töchtern ein Leben aufzubauen. Als der Spätheimkehrer Johannes auftaucht, der ein Enkel von Mine und Neffe ihres verschollenem Mannes ist, wird ihr Leben plötzlich auf den Kopf gestellt. Katharina und Johannes entwickeln Gefühle füreinander, von denen niemand erfahren darf, vor allem nicht Mine, denn sie glaubt – wie jede liebende Mutter – trotz großmütterlicherer Gefühle für ihren Enkel, unerschütterlich an die Rückkehr ihres Sohnes Karl.
Wie es weiter geht…..
Die Schwiegermutter hatte Recht, der verschollene Sohn ist zurückkehrt, allerdings nur noch ein Schatten seiner selbst. Eine Kopfverletzung hat aus dem ehemals starken Mann nahezu ein Kind gemacht, dass alles mühsam wieder lernen muss. Zu allem Übel, hat sich die Ehefrau inzwischen in den Neffen verliebt und ist schwanger mit seinem Kind. Am Ende stirbt die sympathische und selbstbestimmte Katharina Wagner im Kindbett und ihr Sohn (Jakob) wird als Cousin des eigentlichen Vaters aufwachsen, was im zweiten Teil für jede Menge Probleme sorgt.
Hoffnung auf ein neues Leben und Frauen, die auf eigene Perspektiven setzen!
Inge und Bärbel Katharinas Töchter – die erste eine junge Frau, die fasziniert von der Literatur ist und von ihrer Mutter das Nähen gelernt hat, muss ihren Traum auf ein Studium aufgeben, weil sie sich von nun an um den neugeborenen Jakob kümmern wird. Bärbel kann weiter zu Schule gehen und hängt immer noch mit dem Nachbarsjungen und Bergmanns-Lehrling Klaus ab, der aus einer typischen Pott-Familie stammt – der Vater ein Bergmann, physisch und psychisch durch die Arbeit unter Tage angeschlagen und inzwischen Alkoholiker und seine Mutter eine Frau von Mitte dreißig, die die Hoffnung, aus ihrem Leben noch was zu machen längst aufgegeben hat.
Eva Völler, die selbst ihre Wurzeln im Pott hat, denn ihr Großvater war noch Bergmann, hat sich ihre Protagonisten genau angeschaut und sehr lebendige Charaktere entstehen lassen, mit denen ich ohne Kitsch mitfiebern kann. Die unmittelbaren Erfahrungen während des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren hat sie durch die teilweise schrecklichen Berichten von Eltern, Schwiegereltern und Großeltern sehr stark nachempfinden können. „Man ist nachträglich froh, dass man das nicht selbst miterleben musste!“, erzählt diese in einem Interview.
Für Inge bedeutet es, dass sie sich von dem Frauenbild der 50iger, wo Frauen sich in erster Linie um die Familie gekümmert haben, distanzieren will. Inge will mehr und fühlt sich dennoch verpflichtet, der kleine Bruder ist für sie wie ein eigenes Kind und der Jugendfreund ist zwar die vermeintlich gute Partie, aber eigentlich nicht der Lebens-Gefährte bei dem sie sich ganz sicher sein kann, dass er nicht, wenn es für ihn vorteilhaft ist, seine Interessen über ihre stellt, obwohl er sie sehr liebt und sie am liebsten schon während seines Pharmazie-Studiums geheiratet hätte. Das soll nun nach dem Studium und der Übernahme der elterlichen Apotheke endlich nachgeholt werden. Inge hat in der Zwischenzeit den Spagat zwischen Kinderbetreuung und einer zunächst eher bescheidenen beruflichen Pesperktive, erfolgreich gemeistert und arbeitet nach ihrer Ausbildung zur Buchhändlerin halbtags in einer Buchhandlung. Mit ihrer Chefin und ihrer Kollegin versteht sie sich gut und die Kunden lieben es, von ihr Bücher empfohlen zu bekommen und am Ende traut sich Inge richtig was…..
Bärbel, die jüngere Schwester ist aufmüpfig und wehrt sich gegen einen Geschichts- Lehrer, der immer noch die Ideologie der Nazis verklärt. Nicht ohne Risiko für sie selbst und es bleibt spannend, wie das alles für Bärbel ausgeht, denn sie bleibt hartnäckig, lässt sich vor allem nicht einschüchtern und akzeptiert keinerlei Glorifizierung von nationalsozialistischem Gedankengut im Unterricht.
Mine, die Schwiegermutter, hält trotz ihres betagten Alters wie viele Großmütter damals, die Familie zusammen. In ihrem Bergmanns-Haus in Essen-Fischlaken findet die ganze Familie Unterschlupf und mit ihrem großem Garten und ihren Kochkünsten versorgt die rüstige Frau in ihren 70igerin die ganze Familie. Nie hat sie sich beirren lassen, dass Karl zurückkehren wird. Er ist zurück, aber durch die Folgen seiner Kopfverletzung, so geschädigt, dass das auch den Töchtern einiges abverlangt, besonders Inge muss nach dem Tod der Mutter viel Verantwortung übernehmen und den Traum auf ein eignes Studium aufgegeben. Selbstverwirklichung und ein eigener Beruf stehen für Inge immer in Konkurrenz mit den Familienpflichten. Trotzdem Inge macht ihr Ding und das bettet diese Geschichte in einen Kontext, den ich gerne gelesen habe, weil jenseits von der Liebesgeschichte dieses Unterhaltung-Romans, der Blick auf das reale Leben in den 50iger nicht zu kurz kommt. Alle Protagonisten sind lebensecht und agieren wie es viele (wie ich) aus den Erzählungen unserer Eltern kennen.
Fazit: Ich habe Inge gern durch die 50ziger Jahre im Pott begleitet, weil sie echt ist und Perspektiven sucht, findet und auch gegen Konventionen durchsetzt!
Historische Romane bewegen sich oft zwischen langweiligen recherchierten Fakten oder kitschigen Liebesgeschichten, die sich vielleicht viele heimlich wünschen, von denen wir aber wissen, sie sind real nur ein Bruchteil so romantisch wie in den „Lore-Romanen“. Das echte Leben ist anders, es ist eine Challenge zwischen Hoffnung, Wünschen und Realität und dem ständigen auf und ab dieser Parameter. Historische Unterhaltungsromane tun sich oft schwer mit der Realität, bei Eva Völler und ihrer Ruhrpott-Saga klappt das sehr gut, denn sie legt viel Wert darauf, ihre Helden mit vielen Facetten zu skizzieren und so gelingt es ihr das Seeting lebendig zu halten. Inges Entscheidung gegen die vermeintliche Heirat mit einer guten Partie, wird als Entwicklungsschritt dargestellt. Alle Charaktere wurden glücklicherweise zudem mit Facetten, Brüchen und Widersprüchen angelegt. Ganz nebenbei geht es um wichtige Themen der Zeit, den sich langsam abzeichnenden Untergang der Steinkohle-Industrie, Frauen, die selber entscheiden, wen sie heiraten und ob sie danach weiter arbeiten wollen. Alt-Nazis in Schulen, die man längst aussortieren hätte sollen, aber zunächst nicht konnte, weil es nach dem Krieg zu wenig Lehrkräfte gab. Das Erstarken der Gewerkschaften durch die vielen „Kumpel“, die sich dort organisiert haben und gemeinsam mit ihren Funktionären (auch Johannes schlägt diesen Weg nach einem Grubenunfall ein) für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Lohn unter Tage kämpfen. Zudem werden gesellschaftlich relevante Themen wie Machtmissbrauch von Lehrkörpern und dessen Auswirkungen auf hochbegabte Links-Händler (Jakob), die um jeden Preis umerzogen werden sollen, aufgegriffen. Eva Völler kneift ebenfalls nicht bei brisanteren Sachen wie dem Paragraf 175 (dem sog. Schwulen-Paragraf) und verwebt dieses authentisch mit Figuren des Romans. Mir hat dieser Roman gerade deshalb gefallen, weil es der Autorin gut gelungen ist, die erwartete Liebesgeschichte in einen echten und historisch-realistischen Kontext zu transferieren, was leider für dieses Genre immer noch sehr selten ist. Ich bin gespannt auf die Fortsetzung und freue mich schon darauf!
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